Union Generela di Ladins dla Dolomites

Sprachgeschichte

Die ladinische Presse

Trotz der entmutigenden politischen Lage nach 1945 und der kaum brauchbaren Gesetzeslage des Autonomiestatuts von 1948 kämpfen die Ladinervereinigungen entschieden für ihre Ideale weiter. So gibt z.B. Salvester Erlacher (1910-1991) im März 1949 die Zeitung “Nos Ladins” (Wir Ladiner) heraus, die zunächst einmal, später sogar zweimal im Monat erscheint. Die Ladinervereine des Grödner- und Gadertales und die Union Generela sind dabei zwar nicht die Verleger, dafür aber die unermüdlichen Förderer dieser Zeitung. Im Jahre 1972 übernimmt dann die Union Generela di Ladins die Veröffentlichung der Informationszeitschrift “La Usc di Ladins” (Die Stimme der Ladiner), die bis 1985 monatlich, bis 1990 vierzehntägig und seit dem 1. Februar 1990 wöchentlich erscheint.

“Nos Ladins” (1949).
“La Usc di Ladins” (2005).

Ladinisches Radio und Fernsehen

Die Union Generela setzt sich seit jeher für eine grössere Verbreitung von Radiosendungen in ladinischer Sprache ein. Diese beschränken sich zunächst versuchsweise auf wenige Minuten pro Woche, werden jedoch seit 1955 dank dem regen Interesse der Generela regelmässig von Montag bis Samstag übertragen. Im Jahre 1958 wird in Gröden sogar ein Komitee für das Radio Ladin eingesetzt, um die Qualität der ladinischen Sendungen zu heben. 1961 gesellt sich zu den Nachrichtensendungen noch ein eigenes Kulturprogramm hinzu mit dem Titel “Dai Creps dl Sela” (Von den Gipfeln des Sella). Seither wird Personal mit Vollzeitbeschäftigung angestellt. 1976 kämpft die Union di Ladins de Fascia zusammen mit der Generela gegen die Abtrennung ihrer Redaktion weg von Bozen hin zu Trient. Seit 1979 werden versuchsweise ladinischsprachige Fernsehsendungen ausgestrahlt. Diese werden jedoch erst im Jahr 1988 zu einem dauerhaften Bestandteil des Fernsehprogramms. Heutzutage überträgt die RAI der Region Trentino-Südtirol 352 Stunden lang Radiosendungen in ladinischer Sprache und 39 Stunden lang im Fernsehen. Darüberhinaus setzen sich die “Ladinervereine” und die Generela für die Errichtung von Sendemasten auf den Dolomitenpässen ein, um den Empfang der ladinischen Radio- und Fernsehsendungen auch den Ladinern von Ampezzo und Buchenstein zu ermöglichen. Diese sind jedoch weiterhin von der aktiven Beteiligung an der Programmierung ausgeschlossen.

Mitarbeiter des “Radio Ladin” der RAI Bozen in den Anfangsjahren. Sitzend v.l.n.r.: Dolores Vittur, Luigi Piccoliori, Rita Stuffer, Ivana Talmon. Stehend v.l.n.r: Heinrich Zingerle, Hochw. Gustl Prugger, Bruno Moroder.

Ladinische Medien und ladinische Verwaltungssprache

Die Union Generela ist viele Male, sogar in Rom, interveniert, um darum anzusuchen, als Vertretung der “Einheit der Ladiner” anerkannt zu werden und direkt vom Römischen Ministerrat eine finanzielle Unterstützung für ihren grenzübergreifenden Einsatz für die Ladinereinheit zu erhalten, anstatt diese mit grosser Mühe von Provinz zu Provinz erbitten zu müssen. Sie hat sich ausserdem in allen Phasen der Durchführungsbestimmungen des Südtiroler Autonomiestatuts lautgemacht, um die Anerkennung des Ladinischen als offizielle Sprache und um für die Ladiner in Radio und Fernsehen mehr Spielraum zu erreichen. Im Jahr 1984 gibt es weder ein ladinisches Fernsehen noch die Vorschrift, das Ladinische als Verwaltungssprache in den Gemeinden zu verwenden. In den 80er Jahren fordert die Generela im wesentlichen folgendes: 3 Stunden Radio pro Tag und 2 Stunden Fernsehen pro Woche, eine unabhängige Redaktion und ein Radio- und Fernsehdienst für das gesamte ladinische Gebiet, einschliesslich Buchenstein und Ampezzo. Die ladinische Sprache wird per Gesetz Nr. 574/88, das 1989 in Kraft tritt, als offizielle Verwaltungssprache anerkannt. Den Fassaladinern wird das Recht auf Gebrauch der ladinischen Sprache in der öffentlichen Verwaltung im Jahr 1993 zuerkannt.

“Cësa di Ladins” das Haus der Ladiner

Im Juni 1951 beginnt die Union di Ladins de Gherdëina in St. Ulrich eine Cësa für die Dolomitenladiner zu errichten. Man hält nämlich die Einrichtung eines gemeinsamen ladinischen Kulturzentrums für nötig. Die Union Generela unterstützt von Anfang an dieses Vorhaben und hilft bei der Auffindung der nötigen finanziellen Mittel u.a. seitens des Ministerrates. Am 1. August 1954 wird der Sitz der “Cësa” eröffnet. Zu diesem Anlass findet der erste zwischenladinische Kongress statt, an dem auch Vertreter aus Graubünden und Friaul teilnehmen. Die Cësa di Ladins wird zum Sitz der Union Generela di Ladins dles Dolomites, der Union di Ladins de Gherdëina und des Museums de Gherdëina. Seit 1972 beherbergt sie auch die Zentralredaktion der “La Usc di Ladins”.

Pressekonferenz in Bozen anlässlich der Jubiläumsfeier “50 Jahre La Usc di Ladins”. V.l.n.r: Fabio Chiocchetti, Gianpaolo Soratroi, Ilda Pizzinini, Iaco Rigo, Georg Mussner und Elisabetta Menardi Dalus.

Ladin standard oder Ladin dolomitan - die innerladinische, schriftliche koiné

Im Laufe der Zeit hat sich das Fehlen einer einheitlichen Schriftsprache als immer grösser werdender Nachteil für die ladinische Sprache erwiesen, insbesondere sobald es galt, die Idiome des Gader-, Grödner- und Fassatales zu offiziellen Sprachen zu erheben. Deshalb haben die beiden ladinischen Kulturinstitute “Micurà de Rü” und “Majon di Fascegn” im Jahre 1988 den Schweizer Professor Heinrich Schmid (1921-1999 - im Bild) damit beauftragt, Kriterien zur Schaffung einer einheitlichen Schriftsprache, einer koiné, zu erstellen. Wenige Jahre zuvor hatte Schmid Sprachregeln für das “Rumantsch Grischun”, die rätoromanische koiné des Kantons Graubünden, erarbeitet. Diese hat schon kurze Zeit nach ihrer Anwendung im schriftlichen Bereich bemerkenswerte Erfolge erzielt. Nach Abwägung aller Möglichkeiten hat der Schweizer Professor dasselbe Sprachensystem auch für das sogenannte Ladin dolomitan vorgeschlagen, wie die neu zu schaffende schriftliche Koiné-Sprache heissen sollte. Nach einem regen Austausch von Ideen, Vorschlägen und Lösungen zwischen Prof. Heinrich Schmid und den Vertretern der ladinischen Kultureinrichtungen hat sich ein ausgewogenes System herauskristallisiert, das einige Grundsätze befolgt, u.a. das Häufigkeitsprinzip, d.h. die Verteilung der Sprache unter den Sprechenden. Falls dies ein unzureichender Massstab sein sollte, greift man auf andere Parameter zurück, die den linguistischen und soziokulturellen Anforderungen gerecht werden, wie Klarheit, Verständlichkeit, Zweckmässigkeit, Transparenz, Annahme der zukünftigen innerladinischen Sprachformen und nicht zuletzt Originalität. Die Anwendung dieser Kriterien erfolgt nicht auf mechanische Weise, sondern wird von sozio- und psycholinguistischen Überlegungen, von der Überlieferung und von Gefühlen begleitet. Nachfolgend sind einige Tabellen mit beispielhaften, innerladinischen Sprachformen angeführt. Für eine erschöpfende Lektüre sei auf die “Wegleitung für den Aufbau einer Gemeinsamen Schriftsprache der Dolomitenladiner” von Heinrich Schmid und auf die Grammatik und auf das Wörterbuch des ladin dolomitan verwiesen.

SPELL - Servisc de planificazion y elaborazion dl lingaz ladin

1994 rufen die Union Generela und das Ladinische Kulturinstitut “Majon di Fascegn” die “Dienststelle für die Planung und Ausarbeitung der ladinischen Sprache”, das sogenannte SPELL (Servisc de Planificazion y Elaborazion dl lingaz Ladin) ins Leben, dem sich 1997 auch das Ladinische Kulturinstitut “Micurà de Rü” und das Ladinische Pädagogische Institut anschliessen. Die vereinheitlichte ladinische Schriftsprache heisst zunächst “ladin dolomitan” (Dolomitenladinisch), später auch “ladin standard” (Standardladinisch). Die Bemühungen um die Sprachplanung werden mit der Veröffentlichung einer Grammatik (Gramatica dl Ladin Standard, 2001) und eines Wörterbuches des Standardladinischen (Dizionar dl Ladin Standard, 2002) Wirklichkeit. Die Generela richtet sich eine eigene Sprachenabteilung ein, die das Projekt betreut. Das “ladin standard” ist die offizielle Schriftsprache der Union Generela. Die Provinzen und die Regionen müssen es jedoch noch offiziell genehmigen.

In Richtung innerladinischer Sprachpolitik

Wie man weiss, ist es noch sehr schwierig, Projekte zur Unterstützung der ladinischen Sprache im Gebiet der Dolomitenladiner durchzuführen, vor allem wegen der politischen (ladinischen) Lage in Südtirol. Einige militante, ladinische Intelektuelle haben zu einer Bewegung angeregt, die von der Zivilbevölkerung ausgeht und die Bevölkerung für das Thema der sogenannten “Sprachpolitik” sensibilisieren soll. Diese betrifft nicht nur das Standardladinische, sondern auch die einzelnen örtlichen Idiome. So haben wichtige Persönlichkeiten aus der ladinischen Kultur und Gesellschaft das Manifest mit den “Undesc teses per na politica linguistica interladina” (11 Thesen für eine innerladinische Sprachpolitik) ausgearbeitet und unterzeichnet. Damit will man auch 100 Jahre nach der Gründung der Union Ladina in Innsbruck noch daran erinnern, wie wichtig es auch heutzutage noch immer ist, die Tätigkeit der Union Generela und alle innerladinischen Initiativen anzuregen.

“Les undesc teses” - Die 11 Thesen

  1. Das Überleben der Dolomitenladiner als ein Volk, das sich durch eine gemeinsame Kultur und Identität kennzeichnet, ist nur durch das Überleben ihrer Sprache gesichert. Um den für unsere Zeit typischen Vereinheitlichungstendenzen entgegenzuwirken, bedarf es heute mehr denn je einer einheitlichen und wirksamen Sprachpolitik für das gesamte historische Gebiet, wo die Ladiner beheimatet sind, d.h. die Täler Gröden und Gadertal mit Enneberg, Fassa mit Moena, Cortina d’Ampezzo und Buchenstein mit Colle S. Lucia.
  2. Alle Sprachvarianten, die sich im Laufe der Zeit in diesem Gebiet gebildet haben, sind lebender und ursprünglicher Ausdruck der ladinischen Sprache. Sie stellen ein wesentliches Vermögen für das gesamte ladinische Volk dar. Allen Idiomen soll dieselbe Würde zukommen, und sie sollen auf allen Ebenen von den Institutionen anerkannt werden.
  3. Jede ladinische Sprachvariante hat Anrecht auf Förderungs- und Schutzmassnahmen, um sich in Zukunft entwickeln und behaupten zu können. Dies gilt umso mehr für jene Talschaften, wo es die ladinische Sprache wegen ungünstiger sozialer und gesetzlicher Bedingungen schwierig hat.
  4. Das Weiterbestehen und die harmonische Weiterentwicklung der einzelnen ladinischen Idiome kann langfristig viel besser durch die Entwicklung einer einheitlichen Schriftsprache gewährleistet werden. Dies ist heutzutage eines der primären und und grundlegendsten Ziele jeder Politik zur Wahrung der ladinischen Gemeinschaft in den Dolomiten.
  5. Die einheitliche Schriftsprache, auch “Ladin Standard” bzw. “Ladin Dolomitan” genannt, ist ein grundlegendes Symbol der Identität des ladinischen Volkes und seiner Einheit. Sie stellt gleichzeitig einen “Schutzschirm” dar, der den Erhalt und die Weiterentwicklung der Talschaftsidiome ermöglicht und Schutz vor sprachlichen Interferenzen aus den angrenzenden Sprachen bietet.
  6. Die historisch gewachsenen ladinischen Idiome sind die lebende Grundlage des Ladin Standard. Sie sind dessen Nahrung und Substanz.
  7. Das Ladin Standard soll die einzelnen Mundarten weder ersetzen noch verdrängen, sondern gesellt sich zu ihnen, um höheren Ansprüchen und Aufgaben gerecht zu werden, die gewöhnlich Fremdsprachen übernehmen. Es ist gleichzeitig als Referenzmodell gedacht, auf das bei der Verfeinerung der lokalen Idiome, bei der Schaffung von Neologismen und bei der Modernisierung des Wortschatzes Bezug genommen werden soll.
  8. Der gesetzliche Status der ladinischen Sprache soll verbessert und vereinheitlicht werden, und zwar in allen Verwaltungsbereichen des historisch gewachsenen Siedlungsgebiets. Die öffentlichen Institutionen sollen die Schutzbestimmungen anwenden und verstärken und dabei die Bedürfnisse der gesamten ladinischen Gemeinschaft und all ihre territorialen Gegebenheiten berücksichtigen.
  9. Die kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen im ladinischen Einzugsgebiet, wie z.B. die Universität, sollen an der Erarbeitung des sprachlichen Corpus des Ladinischen mitarbeiten, wobei sie die vor zehn Jahren entstandene Notwendigkeit der lokalen Idiome als auch des Standardisierungsprozesses berücksichtigen sollen.
  10. Es sollen Massnahmen zur sprachlichen Implementierung und Normalisierung verwirklicht werden, um den Gebrauch des Ladinischen auf allen Ebenen des Gesellschaftslebens und in jedem Amt stärker zu fördern. Dabei soll auf den Wunsch der Dolomitenladiner nach Einheit Rücksicht genommen werden, der die Geschichte dieser Minderheit kennzeichnet.
  11. Das ladinische Volk fühlt sich als eine Einheit. Deshalb benötigt es heute mehr denn je eine repräsentative und starke Vertretung. Diese Aufgabe sollen die “Union Generela di Ladins dles Dolomites” und ihre örtlichen Sektionen übernehmen. Sie sind schon seit knapp 100 Jahren darum bemüht, die ladinische Identität über die politischen Grenzen hinweg zu verteidigen. Die Institutionen, die Lokalverwaltungen, die Parteien und alle gesellschaftlichen Kräfte sollen als Zeichen der guten Zusammenarbeit die zwischenladinischen Aktivitäten und die Mittel der Sprachverständigung und -förderung unterstützen und weiterentwickeln, um die ladinische Identität der Dolomitentäler weiterhin zu wahren.